“!Nie Wieder!”: Digitaler Stolpersteingang 2022

Alljährlich bietet das Bündnis “Tradition lebt von Erinnerung” im Rahmen der “!Nie wieder”-Projektwochen einen Stolpersteinspaziergang an. Im letzten Jahr konnten wir diesen aufgrund der pandemischen Lage nicht wie sonst gemeinsam absolvieren und auch in diesem Jahr haben wir uns (aus dem selben Grund) dafür entschieden, auf einen organisierten, gemeinsamen Stolpersteinspaziergang zu verzichten.

Stattdessen rufen wir wieder alle Interessierten auf, in der Zeit vom 06.02. bis zum 20.02. eine von uns vorbereitete Route durch die Innenstadt/Altstadt digital oder unter Einhaltung der Corona-Verordnung des Landes/der Stadt selbstständig abzulaufen und Stolpersteine aufzupolieren, damit diese im Straßenbild wieder präsenter sind.

Hier geht es zum Stolpersteingang (inkl. Video) >>>

Informationen zu den Verfolgtengruppen

Das Leben von Menschen, denen körperliche oder geistige Beeinträchtigung zugeschrieben wurde, galt im Nationalsozialismus als „lebensunwertes Leben“. Die Propaganda stigmatisierte sie als „unnütze Esser“ oder „Ballastexistenzen“.

Bereits im Juli 1933 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft, das die Zwangssterilisierungen von als „erbkrank“ geltenden Personen rechtlich legitimierte. Betroffen waren neben Menschen mit einer Erkrankung oder Behinderung auch solche, die als „asozial“ oder anderweitig „minderwertig“ galten.

Die systematische Tötung sogenannter „Erbkranker“ begann 1939 mit der Ermordung Neugeborener, Kinder und Jugendliche mit Behinderung in Kliniken bzw. Anstalten durch Medikamentengabe oder Nahrungsentzug. Im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ wurden schließlich organisatorische Strukturen zur Ausweitung der Ermordung „Kranker“ geschaffen. Erfasst durch ein Meldesystem überführte man die Menschen in spezielle Anstalten – Bernburg, Hartheim, Grafeneck, Brandenburg, Sonnenstein und Hadamar – in denen mittels Giftgas, Medikation oder durch Unterernährung getötet wurde. Zur Verschleierung der Morde, die zu Widerstand innerhalb der Bevölkerung hätten führen können, äscherte man die Leichen meist unverzüglich ein und fälschte die Totenscheine.

Trotz Geheimhaltung verbreiten sich schließlich Gerüchte über den systematischen Krankenmord, die für Unruhe in der Bevölkerung sorgten. Dies, sowie öffentlicher Protest von Kirchenvertretern erzeugten 1941 Druck auf die NS-Regierung, sodass die systematische Tötung auf Weisung Hitlers zumindest offiziell im Reichsgebiet eingestellt wurde. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Morden in den Anstalten gänzlich unterblieb. Fortgeführt wurde die „T4-Aktion“ zudem in den besetzten Gebieten und in Konzentrationslagern.

Die Anzahl der Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, lässt sich nicht exakt rekonstruieren, Schätzungen belaufen sich auf 200 000- 300 000 Personen (europaweit).

Quellen und weiterführende Links:
https://www.t4-denkmal.de/Opfergruppen
https://www.gedenkort-t4.eu/de/wissen/aktion-t4
https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/295244/ns-euthanasie
Gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Sinti und Roma, die als „Zigeuner“ bezeichnet wurden, analog zu jüdischen Menschen als „fremdrassig“. Aufgrund der nicht-sesshaften Lebensweise eines kleinen Teils dieser Bevölkerungsgruppe wurden sie zudem als „Asoziale“ und „Kriminelle“ stigmatisiert.

Schon bald nach der NS-Machtergreifung 1933 begann analog zu der systematischen Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung auch jene von als „Zigeuner“ bezeichneten Menschen. Ihnen wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt, sie waren u.a. von Berufsverboten und dem Verbot der Eheschließung mit „Deutschblütigen“ betroffen. Zudem schränkte man die Mobilität der tatsächlich Fahrenden bzw. Wandernden massiv ein. In einigen Städten entstanden Lager, in denen „Zigeuner“ interniert und z.T. zu Zwangsarbeiten verpflichtet wurden.

Das NS-Regime zielte auf eine vollständige Erfassung der im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich lebenden Sinti und Roma, die zudem rassistisch motivierten „Begutachtungen“ u.a. durch die "Rassenhygienische Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes" ausgesetzt waren. Basierend auf dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden Zwangssterilisationen durchgeführt. 1940 begannen die Deportationen in Gettos und Konzentrationslager im Osten. 1943 entstand auf Weisung Himmlers im Vernichtungslager Ausschwitz ein sogenanntes „Zigeunerlager“, in dem etwa 23 000 Sinti und Roma aus zehn europäischen Ländern interniert wurden.

Die Gesamtzahl der von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma ist nicht mehr exakt ermittelbar. Schätzungen zufolge handelt es sich um etwa 500 000 Menschen.

Quellen und weiterführende Links:
https://www.bpb.de/izpb/239954/sinti-und-roma
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/ausgrenzung-und-verfolgung-von-sinti-und-roma.html
https://www.sintiundroma.org/de/weg-in-den-voelkermord/
https://www.planet-wissen.de/kultur/voelker/sinti_und_roma_in_deutschland/pwiedervoelkermordandensintiundroma100.html
Als „Asoziale“ wurden im Nationalsozialismus Menschen stigmatisiert, die aus unterschiedlichsten Gründen als „gemeinschaftsfremd“ und „minderwertig“ galten. Darunter fielen bspw. Personen, deren Verhalten oder Lebensweise mit der NS-Ordnung unvereinbar schien sowie solche, die durch wiederholte (kleinere) Gesetzesübertretungen auffielen. So galten u.a. Obdachlose, Bettelnde, Prostituierte als „asozial“, genau wie Alkoholabhängige, sogenannte „Arbeitsscheue“ oder auch Sinti und Roma. Der Begriff des/der „Asozialen“ war dabei relativ vage definiert, sodass er auf unterschiedlichste Menschen und Lebensweisen angewandt werden konnte. Wer als „asozial“ bezeichnet wurde, hing somit auch immer von der Einschätzung der Beurteilenden ab.

Auch Jugendliche, die sich der gegebenen Ordnung nicht gänzlich fügen wollten oder konnten, liefen Gefahr als „asozial“ stigmatisiert und in Erziehungsheime oder KZ-ähnliche „Jugendlager“ bzw. Konzentrationslagers eingewiesen zu werden.

Insgesamt wurden „Asoziale“ auf vielfältige Weise ausgegrenzt und verfolgt. Sie wurden in Arbeitslager, Anstalten oder KZs interniert, waren von Zwangssterilisationen nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ betroffen und fielen den Krankenmorden zum Opfer.

1938 kam es zu einer Verschärfung der Verfolgung und zu Massenverhaftungen im Rahmen der „Aktion Arbeitsscheu Reich“. Allein bei dieser wurden mehr als 10 000 sogenannte „Gemeinschaftsfremde“ verhaftet und in KZs verbracht. In diesen bildeten „Asoziale“ eine eigene Häftlingskategorie. Wie andere Interniertengruppen auch, hatten sie dort unter Hunger, Gewalt und auf physische Vernichtung zielender Zwangsarbeit zu leiden.

Die Anzahl der Opfer unter den als „asozial“ Verfolgten lässt sich kaum zuverlässig schätzen.

Quellen und weiterführende Links:
http://neuengamme-ausstellungen.info/content/documents/thm/ha2_1_4_thm_2349.pdf
https://www.bpb.de/izpb/239457/gemeinschaftsfremde-und-kranke
https://www.bundestag.de/resource/blob/478780/946af6a53de4beedba650bf537254942/WD-1-026-16-pdf-data.pdf
Zu den politisch Verfolgten im Nationalsozialismus zählten Personen aus zahlreichen Parteien, Organisationen und sozialen Gruppen. Zusätzlich gerieten auch Einzelne wegen ihrer (politischen) Ansichten oder unangepasster Verhaltensweisen mit dem NS-Regime in Konflikt. Eine einheitliche Definition dieser Opfergruppe ist daher nahezu unmöglich, hing es doch im Wesentlichen von der Beurteilung der NS-Institutionen ab, wer als politischer Gegner galt. In Konzentrationslagern wurden „Politische Häftlinge“ durch rote Markierungen auf der Kleidung gekennzeichnet.

Die Verfolgung dieser Menschen begann bereits vor der Machtübernahme 1933, etwa bei Übergriffen auf Gegner der NS-Bewegung im „Straßenkampf“ der späten Weimarer Jahre. Am Anfang ging es vor allem um die (linken) Hauptgegner der Nationalsozialisten – Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftler, die verhaftet, gefoltert und zum Teil ermordet wurden.

Später weitete sich dies auch auf Vertreter christlich-konservativer Parteien und Verbände aus, die ins Visier der „Politischen Polizei“ und anderer NS-Organe gerieten. Die Grenzen zur Verfolgung aus religiösen und „politischen“ Gründen waren im NS-Staat fließend. Das schonungslose Vorgehen gegen den späten nationalkonservativ-militärischen Widerstand im Jahr 1944 muss in einem erweiterten Sinn ebenso als politische Verfolgung gelten wie die Bekämpfung studentischer Widerstandsgruppen, etwa der „Weißen Rose“. Während des Zweiten Weltkriegs wurden alle regimekritische Äußerungen, das Abhören von „Feindsendern“ sowie der verbotene Umgang mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern als politische Delikte bzw. als „Heimtücke“ aufgefasst und gewaltsam verfolgt.

Abschließend lassen sich sogar die lokalen Aktionen zur Kriegsbeendigung im Frühjahr 1945 als Widerstandshandlungen interpretieren, deren Protagonisten noch in letzter Minute zu politischen Gegnern wurden und die Rache des Regimes erfuhren.

Quellen und weiterführende Links:
https://gedenkbuch-augsburg.de/opfergruppen/politisch-verfolgte/#:~:text=Zu%20den%20%E2%80%9Epolitisch%20Verfolgten%E2%80%9C%20im%20Nationalsozialismus%20z%C3%A4hlen%20Personen,Eine%20einheitliche%20Definition%20dieser%20Opfergruppe%20ist%20kaum%20m%C3%B6glich
https://www.zeitklicks.de/nationalsozialismus/zeitklicks/zeit/verfolgung/wer-wurde-verfolgt/
http://www.nachkriegsjustiz.at/ns_verbrechen/politische/index.php
https://ns-opfer-nt.jimdofree.com/politisch-verfolgte-1/
https://geschichtsbuch.hamburg.de/epochen/nationalsozialismus/das-kz-neuengamme/
Die europäischen Jüdinnen und Juden waren in der Zeit des Nationalsozialismus einer zunehmenden Stigmatisierung, Entrechtung und Verfolgung ausgesetzt, die schließlich im industriell durchgeführten Massenmord endete.

Grundlage dieser Verfolgung war die Theorie, Menschen in unterschiedliche Rassen einzuteilen und in ihrer Wertigkeit zu unterscheiden. So konstruierte das NS-Regime das Feindbild des so genannten „jüdisch-bolschewistischen Untermenschen“ und stellte diesem das Ideal einer vermeintlich „arischen Herrenrasse“ gegenüber.

Durch Boykotte, Berufsverbote und Entzug wirtschaftlicher Mittel wurden zunächst viele jüdische Menschen zur Auswanderung gezwungen. Die „Nürnberger Gesetze“ von 1935 verschärfte die Entrechtung weiter, die Reichspogromnacht 1938 markierte eine weitere Eskalationsstufe. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges gipfelte die Verfolgung schließlich in Massenhinrichtungen insbesondere osteuropäischer Jüdinnen und Juden, der industriellen Tötung in Vernichtungslagern und der Ermordung durch die Folgen von Zwangsarbeit.

Insgesamt fielen der NS-Rassenideologie etwa sechs Millionen jüdische Menschen zum Opfer.

Quellen und weiterführende Links:
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung.html
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/zweiter-weltkrieg/holocaust
https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39556/shoah-und-antisemitismus
Bereits im Jahr 1871 trat §175 in Kraft, sexuelle Handlungen zwischen Männern standen so unter Strafe. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten fand die stärkste Verfolgung von Homosexuellen in der deutschen Geschichte statt. Der §175 wurde verschärft.

Bereits kurz nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten begannen die Verfolgungsmaßnahmen: Lokale der schwulen und lesbischen Subkultur wurden geschlossen, die Zahl der Denunziationen von schwulen Männern stieg, die Polizeibehörden leiteten vermehrt Verfolgungsmaßnahmen ein. Der traurige Höhepunkt lag darin, dass Menschen die als homosexuell galten, inhaftiert wurden und einen „rosa Winkel“ (Kategorisierung der Nationalsozialisten für homosexuelle Menschen) erhielten, was besonders harte, körperliche Arbeit bedeutete. Eine genaue Zahl von Inhaftierungen fällt schwer zu nennen, es ist davon auszugehen, dass 10 000 bis 15 000 homosexuelle Männer in Konzentrationslager gebracht wurden. Die Sterblichkeitsrate von homosexuellen Männern in den KZs war sehr hoch.

Homosexuelle Menschen und besonders schwule Männer passten nicht in das Weltbild der Nazis. Die Nationalsozialisten befürchteten durch homosexuelle Menschen eine „Schwächung der allgemeinen Volkskraft“ und einen Rückgang von Geburten. Die Nazis wünschten sich eine Steigerung der Geburtenrate. Schwule Männer unterstützen diesen Plan aus ihrer Sicht nicht und wurden so zu Staatsfeinden. Sie bezeichneten schwule Männer als „entartet“ und als „Volksschädlinge“. Auch entsprachen schwule Männer nicht dem Heldenbild, das die Nazis von Männern zeigen wollten.

Quellen und weiterführende Links:
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/homosexuellenverfolgung.html
https://www.bpb.de/izpb/239460/homosexuelle
https://www.zeitklicks.de/nationalsozialismus/zeitklicks/zeit/verfolgung/wer-wurde-verfolgt/homosexuelle/
Als Deserteure werden Soldaten bezeichnet, die sich ihren Verpflichtungen und Aufgaben entziehen bzw. in Kriegszeiten „die Seite wechseln“ und gezielt gegen das eigene Militär arbeiten. Im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus kann hierunter auch die Militäropposition gefasst werden, bekannt vor allem durch die Attentat-Versuche auf Hitler. Nach seinem Tod sollten durch einen Staatsstreich die Kriegshandlungen beendet werden. Politische Gegner innerhalb des Militärs bereiteten immer wieder Widerstand vor, vor allem als die „Außenpolitik“ der Nazis immer aggressiver auf Kriegskurs gestellt wurde.

Auf diesen internen Widerstand reagierte das NS-Regime mit aller Härte. Mit großer Willkür wurden durch „Volksgerichtshof“, Gestapo und SS militärische wie zivile Gegner verfolgt, eingesperrt und hingerichtet. Die Haltung zum Umgang mit „Andersdenkenden“ knüpft hier an die vielen anderen Opfer der rassistischen Politik an und verdeutlicht sich in Bezug auf die Opfergruppe der Deserteure in einer Aussage Hitlers aus seiner Hassschrift „Mein Kampf“: „Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben“.

Neben organisierten Widerstandsgruppen wurden als „Fahnenflüchtige“ aber auch diejenigen verfolgt, die sich gezielt von der Kriegsfront bzw. ihren Einsatzbereichen abgesetzt haben und geflüchtet sind. Teilweise sind Soldaten auch zum Gegner übergelaufen und haben die jeweiligen Militärs mit Informationen über die deutsche Kriegsführung versorgt. Das Erleben der furchtbaren Gewalt an der Front, Zweifel am Erfolg des „Hitler-Vorhabens“ und letztlich auch die Angst vor dem eigenen Tod war womöglich für kritisch denkende Soldaten ein letzter Anstoß sich dem Widerstand anzuschließen.

Deserteure wurden getötet, zu Zucht- oder Arbeitslager „verurteilt“ oder auch in Konzentrationslager verbracht. Auch Familien und Angehörige wurden verfolgt und mussten mit harten Strafen rechnen. Der NS-Militärjustiz werden mehrere zehntausend Todesurteile gegen „Kriegesverräter“ zugeordnet, insgesamt könnten zwischen 300.000 und 400.000 Soldaten desertiert sein. Wie viele Menschen die als Deserteure betrachten wurden letztlich Opfer der Nazis geworden sind ist nicht eindeutig zu bestimmen.

Weiterführende Links:
http://www.deserteur-denkmal.de/deserteur-denkmal_hintergrund_einleitung.html http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/11966 http://www.offenes-archiv.de/de/WeitereAusstellungen/rathausausstellung_2013_wehrmachtjustiz_startseite.xml